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Pest: Warum der Schwarze Tod einfach nicht verschwand

Eigentlich hätte der Erreger der Pest durch seinen eigenen Erfolg aussterben müssen. Doch eine genetische Veränderung verlängerte die historischen Pandemien um Jahrhunderte.
Mehrere Schädel in einer Reihe, in einem Beinhaus mit Opfern der Pest in Paris.
Besonders die ersten Pestwellen der beiden Pandemien töteten unzählige Menschen und verheerten ganze Landstriche. Doch auch in den Jahrhunderten danach brachen immer wieder schwere Epidemien aus. So zum Beispiel die berühmte Pestepidemie von London 1664, die rund ein Viertel der Bevölkerung tötete.

Zweimal tauchte die Pest in Europa auf – und sie blieb sehr lange. Nach den ersten verheerenden Pestwellen der Justinianischen Pest im 6. Jahrhundert und des Schwarzen Todes im 14. Jahrhundert flackerten jahrhundertelang immer wieder regionale Pestepidemien auf. Wie nun ein Team um Ravneet Kaur Sidhu von der McMaster University in Hamilton, Kanada, berichtet, durchlief der Pesterreger Yersinia pestis bei jedem dieser Seuchenzüge den gleichen evolutionären Zyklus, der ihm erlaubte, sich über lange Zeiträume zu verbreiten. In der in der Fachzeitschrift »Science« erschienenen Studie zeigen die Fachleute, dass bei beiden Pandemien ein für die Aggressivität der Krankheit entscheidendes Gen immer stärker inaktiviert wurde. Dadurch überleben Ratten, die wichtigsten Verbreiter der Pest, die Infektion länger. Das Team argumentiert, dass sich das Bakterium so auch dann noch verbreiten konnte, nachdem die Rattenpopulationen durch die erste Pestwelle drastisch zurückgegangen waren.

Im Zentrum steht das Gen pla, das zentral für Ansteckungsfähigkeit und Aggressivität von Yersinia pestis ist. Es kommt in jedem Bakterium rund 200-mal vor. Die Arbeitsgruppe analysierte genetisches Material des Pesterregers in archäologischen Funden aus der ersten und zweiten Pandemie. Dabei stellte sie fest, dass sich jeweils nach rund einem Jahrhundert Bakterienlinien mit drastisch weniger pla-Kopien durchsetzten. Das Team um Sidhu vermutet, dass das Bakterium so verhindert, seinem eigenen Erfolg zum Opfer zu fallen. Denn die Pest ist nicht nur für Menschen sehr tödlich, sondern auch für Ratten, die mit Pest infizierte Flöhe tragen. Nach den ersten Pandemiewellen, so die Vermutung, waren auch die Ratten so stark dezimiert, dass sich das Bakterium kaum noch zwischen den Populationen verbreiten konnte, bevor die infizierten Tiere starben. Dadurch begann der Erreger auszusterben.

Doch in beiden Pandemien tauchten dann Bakterien mit weniger pla-Kopien auf. Wie das Team in Versuchen zeigte, töten diese Bakterien nur 80 statt 100 Prozent der Ratten, und die Krankheit dauert einige Tage länger. So konnten sich diese Erregerlinien auch zwischen den ausgedünnten Populationen noch genug verbreiten. Das führte dazu, dass sie über Jahrhunderte regionale Pestepidemien auslösen konnten, sobald die Bedingungen günstig waren. Für diese Hypothese spricht, dass sich das Muster in den historischen Pandemien fast identisch wiederholte. Auch in der dritten, aktuellem Pestpandemie, die im 19. Jahrhundert in China begann, tauchten bereits pla-reduzierte Pesterreger auf.

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  • Quellen
Science 388, 10.1126/science.adt388, 2025

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